Das Buch von Friedrich Achleitner und Ottokar Uhl [1] über Lois Welzenbacher war mir bereits in den ersten Studienjahren bekannt. Dabei war das aus­gezeichnete Werkverzeichnis auch Quelle dafür, völlig unbekannte Realisierungen Welzenbachers oder Reste davon zu erkunden. Irgendwo hinter Kufstein konnte ich noch „Spuren“ von Welzen­bacher an einem Haus entdecken, in Aldrans eine Gartenmauer und einen charmanten, eigentlich typisch „welzenbacherschen“ Torpfeiler sowie in Hall am unteren Ende des Langen Grabens die Buchhandlung Moser (heute Riepenhausen). Aufgefallen sind mir damals eigentlich nur die schönen Holzfenster in den Breccienlaibungen, besonders jene im Hauptportal mit den viertel­ runden Glasauslagen. Darin erkannte ich den Ein­griff von Welzenbacher, denn die Elemente aus Breccie schienen Bestand gewesen zu sein.

Im Zuge der Filmarbeiten für die Ausstellung „Über Lois Welzenbacher“ im Adambräu stand ich mit Lukas Schaller, dem Filmemacher, lange vor dem Haus in Hall und war dadurch gezwungen, langsam und genau zu „schauen“. Spannend waren die Entdeckungen an der Fassade zum Langen Graben hin, denn hier fiel mir über ca. 2 /3 der Fassade ein neues Betongesims auf. Ein horizon­taler Strich über den damals wohl teilweise neu gesetzten, jedenfalls komplex in Breccie gefassten, teilweise skulptural bearbeiteten Öffnungsele­menten. Hier ließ Welzenbacher eine ca. 20 cm starke Mauer vor die bestehende Fassade mauern, die verbunden mit dem „horizontalen Strich“ die Geschäftszone im Erdgeschoß von den Wohn­geschoßen trennt. Dieser „Strich“ ist einfach über den tiefer ragenden Erker gezogen, im Bereich des Erkers jedoch als Stuckgesims, den anderen Erkergesimsen entsprechend (?) ausgeführt. Dieser Betonstrich endet an einem vorhandenen vertika­len, über die ganze Höhe des Hauses verlaufenden ca. 20 cm tiefen Rücksprung. Damit jedoch die abschließende Gesimsecke nicht vor diese Kante springt, wurde diese etwas höher oben, mittels einer Viertelrundung um ca. 25 cm versetzt, womit die abschließende Gesimsecke auf Flucht der Rücksprungskante bleibt.

Oder war es ganz anders? Achleitner schreibt in seinem Führer: „Diese sehr frühe Arbeit Welzen­bachers kommt eher einer Fassadenrückführung als einer Neugestaltung gleich. Jedenfalls wurde ein relativ großteiliger, hölzerner Portalvorbau aus dem 19. Jahrhundert weggeräumt und das Haus wurde auf seine Mauer­ bzw. Pfeilerstruktur zurückgeführt“. Ich glaube, dass es eine Neu­gestaltung der Mauerwerksfassade war. Vielleicht inspirierte der hölzerne Portalvorbau die Vor­mauerung und das „Gesims“. Vielleicht entstand die von mir so genial empfundene „versetzte“ vertikale Kante jedoch schon anlässlich des Holz­ vorbaus.

Dass Welzenbachers umfangreiches Werk in Hall beginnt, unmittelbar nach dem Ersten Welt­ krieg, in der Stadt, in der sein Münchner Lehrer Theodor Fischer 1911 das ebenso noch immer gül­tige Postgebäude erbaute, sollte ein Grund sein, diesen Ort zu besuchen und unter Umständen sogar im Parkhotel – entweder im Welzenbacher­-Turm oder im Henke­Schreieck­Turm – zu über­nachten.

Rainer Köberl, September 2019


1 Friedrich Achleitner, Ottokar Uhl: Lois Welzenbacher 1889–1955, Grafische Gestaltung: Walter Pichler, Residenz Verlag Salzburg, 1968 – hier zum Nachblättern


Dieser Text erschien auch in der Reihe „small is beautiful“ in der aut-Info 4/2019.