Wenige hundert Meter von seinem kleinen, idyllisch in den Absamer Wiesen gelegenen Wohnhaus entfernt aufgewachsen, erinnere ich mich nur an eine einzige Begegnung mit Lois Welzenbacher in Hall vor 60 Jahren. Welzenbacher, damals schon schwer von seiner Erkrankung gezeichnet, prägte von 1947 bis 1955 die auf Otto Wagner und Peter Behrens nachfolgende Meisterschule für Architektur an der Wiener Akademie der Bildenden Künste. Trotz seines Engagements für den Wiederaufbau Wiens mit der Teilnahme an Wettbewerben für die Verbauung des Donaukanals (1946), die Neugestaltung des Burgtheaters (1948), die Verbauung des Karlsplatzes (1949) und mit Entwürfen für den Südbahnhof und den Donauhafen Wiens blieb er, ohne auch nur einen einzigen Auftrag erhalten zu haben, seitens der Gemeinde Wien unbedankt.

Er selbst war Schüler von Theodor Fischer (1862-1938), einem der wichtigsten Vertreter der Münchner Schule, nach dessen Plänen 1911 das Haller Post- und Wohngebäude am Eingang zur historischen Altstadt errichtet wurde, in dessen Belle Etage später der Haller Stadtbaumeister Hans Illmer (1878-1936) wohnte, der das, zusammen mit Welzenbachers Turmhotel (1930) städtebaulich einmalige Ensemble bildende Kurmittelhaus für Hall entworfen hat.

Erst während meiner Ausbildung in der auf Welzenbacher folgenden Meisterschule Roland Rainer erkannte ich die unvergleichliche Qualität des ersten mir aus meiner Jugendzeit bekannten Welzenbacher Baus, des bereits genannten “Turmhotels Seeber“, dessen vertikaler Akzent am Rand des Stadtkerns von Hall das „Neue Bauen“ wie kein anderes Gebäude repräsentierte und dessen in die Zukunft weisende Architektur in der meist konservativen Bevölkerung auf heftigen Widerstand stieß, was letztlich den respektlosen Umgang mit dem Original hinsichtlich späterer Umbauten zu erklären vermag.

Einer beispielhaften Initiative junger, ebenfalls an der Wiener Akademie der Bildenden Künste ausgebildeter Architekten, Bruno Sandbichler und Feria Gharakhanzadeh, haben wir es zu verdanken, dass nach einer österreichweit durchgeführten Kampagne für dieses bedeutende Architekturdenkmal die Abwicklung eines Wettbewerbes für die Erweiterung des Hotels gefordert wurde, der eine qualitätsvolle Revitalisierung des devastierten Hotelturms voraussetzte. Dies ist dann Dieter Henke und Marta Schreieck in sehr sensibler Weise gelungen, womit sich ein Kreis um die Wiener Akademie der Bildenden Künste zu schließen scheint, absolvierten die beiden doch auch eine ihrer Meisterschulen.

Einige Jahre vor dem Hotelbau erregten zwei ebenfalls turmartige Gebäude aus Welzenbachers Hand das Interesse der Innsbrucker, das Adambräu Sudhaus (1926/27) und der Verwaltungsbau der Städtischen Elektrizitätswerke Innsbruck (ebenfalls 1926/27). Während das Sudhaus vor und nach seiner viel beachteten Umnutzung durch Rainer Köberl, Erich Wucherer, Thomas Giner und Andreas Pfeifer eine ähnlich radikal entschlackte Architekturhaltung auszeichnet wie das Haller Hotel, weist der Verwaltungsbau der Städtischen Elektrizitätswerke (heute Innsbrucker Kommunalbetriebe), übrigens das erste wirkliche Hochhaus in Innsbruck, noch eine leicht expressive Formensprache auf. Hier erinnere ich mich an gelegentliche Besuche des in den 1950-er Jahren im obersten Stockwerk kurz vor seiner Schließung untergebrachten Cafés mit einem faszinierenden Rundblick auf die Stadtlandschaft Innsbrucks.

Wurde mit der Revitalisierung von Hotel und Sudhaus ein unschätzbarer kultureller Beitrag geleistet, wird der Wunsch nach einem Rückbau des Gebäudes der Innsbrucker Kommunalbetriebe hinsichtlich der verlorenen Balkone, vorspringenden Fensterbänder, des großen quadratischen Ziffernblatts und nach einem Verzicht des später aufgesetzten kappenartigen Daches leider Illusion bleiben, auch wenn man Welzenbacher für diesen städtebaulich markanten Eingriff ins Stadtgefüge nach wie vor dankbar sein muss.

Der erste und der zweite, vor Baubeginn stehende, PEMA-Turm in Bahnhofsnähe werden sich in städtebaulichen und architektonischen Belangen in Zukunft erst gegenüber Welzenbacher behaupten müssen.

Mit der Freigabe des Abbruchs des weltstädtische Atmosphäre atmenden Café Greif (1949/50) hat sich Innsbruck in den 1970-er Jahren leider selbst um ein Stück nicht wiederholbarer Welzenbacherscher Architekturgeschichte gebracht.

Hanno Schlögl, März 2015