„Meine Burschen“ nannte Lois Welzenbacher Türme, die in seinen städtebaulichen Konzepten eine wichtige Rolle spielten, waren sie doch Merkzeichen im Stadtbild und seinen Sichtverbindungen.

Othmar Barth schreibt dazu im Katalog „Architekturmodelle. Lois Welzenbacher 1889 – 1955“: „Türme sind die Vertikalen, die figuralen Schwerpunkte in der Stadt. Bei Welzenbacher haben sie sprechende Gesichter, die die Zufälligkeit ihres Bauplatzes deuten und wesentlich machen. Sie geben sehr viel besondere Auskunft über den besonderen Anlass, weswegen sie gebaut wurden, was in ihnen vorgeht, welche Tätigkeiten sie beherbergen, was sie sind.“
Und weiter: „..Turmbauten sind auch noch für einen viel größeren Umraum wichtig, weil sie über die Stadt hinweg eine neue Ebene der visuellen Dialoge errichten und in der Stadt selbst aus vielen Blickpunkten gesehen werden und daher über ihren Standort hinaus von Bedeutung sind.“
Auch für den Turm des Adambräu gelten Othmar Barths Feststellungen. Markiert er doch den Stadtrand von Wilten – und damit den zentralen städtischen Bereich – gegen das Bahnhofsgelände und setzt in der Stadtsilhouette ein deutliches (Merk-)Zeichen – damals von weitem sichtbar.
Dass damit auch optimale Werbung für das Tiroler Bier verbunden war, sollte kein Nachteil sein. Dazu noch die damals außergewöhnliche Lösung, die Produktionsstätte zur Straße hin zu öffnen, womit das Herzstück der Produktion in der Auslage stand. Und nicht zuletzt der einzige unverfälscht erhaltene Welzenbacher in Innsbruck.
Und da erfuhr ich plötzlich (1995), dass ATP auf dem Brauereigelände – das Adambräu war ja inzwischen aufgelöst – ein großes Projekt entwickelt, dem das Meisterwerk im Wege stand und daher – weil ohne Funktion – abgerissen werden sollte. Sofort rief ich Hofrat Caramelle an, ob das Sudhaus nicht sowieso unter Denkmalschutz stünde. Nein, war seine Antwort. Geht auch nicht: ohne Funktion kommt eine Unterschutzstellung nicht in Frage. Die architektonische Qualität und die für damals herausragende Leistung von Welzenbacher war kein Thema.
Nach längeren eindringlichen Argumenten – übrigens mit grosser Unterstützung durch Karl Heinz (damals ZV Präsident) – erklärte Caramelle sich bereit, einen „Spezialisten“ für Industriebau vom Bundesdenkmalamt Wien zu holen, dieser sollte eine Stellungnahme abgeben. Bei dieser Begehung konnte ich mit Karl Heinz dabei sein. Der Herr aus Wien war sehr liebenswürdig, als Profi für Industriearchitektur interessierte ihn jedoch weniger das Gebäude, vielmehr die maschinelle und technische Einrichtung. Besonders in Verzückung geriet er angesichts einer alten Maschine mit Treibriemen. Unsere unermüdlichen Hinweise auf die Architektur und ihre Qualität nahm er höflich zur Kenntnis, hinterließen aber eher geringe Wirkung. Trotzdem gelang es uns, ihn davon zu überzeugen, dass hier eine in Sachen Architektur kompetente Kommission richtig wäre, was er lobenswerterweise in Wien weitergab.
Hocherfreut erfuhren wir, dass vom Bundesdenkmalamt eine Kommission geschickt wird, in der unter anderem Friedrich Achleitner und Ottokar Uhl vertreten sein würden. Zum Lokalaugenschein wurden sowohl ATP als auch meine Wenigkeit als Auskunftsperson geladen, damit jeder seine Argumente vorbringen konnte.
Und dann das gute Ende: Nicht viel später wurde das Sudhaus unter Denkmalschutz gestellt.
Die Freude war groß, doch schon bald regten sich kritische Geister. Was tut man mit so einer „baulichen Leiche“? Teresa Andreae vom ORF Tirol meldete sich alsbald bei mir für ein Interview. Klarerweise musste auch sie mir diese Frage stellen, und da war meine spontane Antwort, man könnte doch z. B. das Architekturforum (später: aut) unterbringen. Die weitere Entwicklung ist ausreichend dokumentiert, die Umnutzung in aut und Archiv für Baukunst sowohl inhaltlich als auch gestalterisch hervorragend gelungen.
So ist das aut im Adambräu Turm – ganz im Sinne Welzenbachers – wieder ein richtiger „Bursch“ geworden.

Jörg Streli